FAZ: "Digitalisierung ersetzt keine Mitarbeiter"
Vier Fragen an: Markus Reinert, IC Immobilien Gruppe
Über Fachkräftemangel in der Immobilienwirtschaft und das getrübte Image der Branche
Immer öfter ist in Deutschland die Rede vom Fachkräftemangel. Inwiefern trifft er die Immobilienbranche?
Über die Immobilienbranche wird gerne geschrieben, sie profitiere von einer robusten Wirtschaft. Diese Sichtweise ist mir aber zu einseitig. Das mögliche Wachstum wäre nämlich noch größer, wenn ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden wäre. Flächenmangel und fehlende Investitionsmöglichkeiten spielen zwar eine wesentliche Rolle, aber der Fachkräftemangel ist in seiner Bedeutung für die Immobilienbranche keinesfalls zu unterschätzen. Um die verfügbaren Fachkräfte ist ein teils erbitterter Wettkampf entbrannt, von dem letztlich maßgeblich die Personalberater profitieren: Anstatt gezielt in die Ausbildung von Nachwuchs zu investieren, wirbt man sich diesen gegenseitig ab. Eine weitere Gefahr ist auch, dass Immobilienspezialisten an andere Branchen verlorengehen. Schließlich ist der Fachkräftemangel branchenübergreifend, und andere Wirtschaftsbereiche können Immobilienfachleute als Quereinsteiger gut gebrauchen.
Welche Teile der Branche sind besonders betroffen?
Der Fachkräftemangel am Bau ist hinreichend bekannt. Auch zahlreiche Property- und Asset-Management-Gesellschaften können schon seit Jahren nur begrenzt Aufträge annehmen, weil das entsprechende Personal dafür fehlt. Mit den gleichen Problemen ringen zum Beispiel auch Investmentgesellschaften. Leider gelten einige Jobprofile im Immobilienbereich immer noch als vergleichsweise wenig attraktiv. Das ist oft auf Unkenntnis zurückzuführen. Ein prädestiniertes Beispiel hierfür ist das Property-Management-Geschäft. Das ist ein häufig unterschätztes Glied in der Wertschöpfungskette, das aber enorm wichtig ist. Viele "Young Potentials", die es in die Immobilienbranche zieht, wollen lieber Asset Manager werden, da sie so das Gesicht zum Investor oder zum Mieter sein können. Die Vorzüge des Property-Managements herauszustellen ist daher eine enorm wichtige Aufgabe für die Branche.
Hat die Branche überhaupt die Chance, ihr in größeren Teilen der Bevölkerung getrübtes Image aufzuhellen?
Obwohl die Immobilienbranche weltweit betrachtet einer der größten Arbeitgeber ist, kämpft diese gegen einen schlechten Ruf - zu Unrecht. Hierzulande denken viele zuerst an Wohnungsmakler oder an die sogenannten Heuschrecken, dabei ist die Branche sehr viel facettenreicher. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung kommen die Themen Gewerbeimmobilien, professionelles Immobilienmanagement und andere kaum vor. Hier gilt es anzusetzen. Die Chance für eine bessere öffentliche Wahrnehmung ist also in jedem Fall vorhanden. In Deutschland haben sich seit vielen Jahren mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) und diversen regionalen und überregionalen anderen Immobilienverbänden wertige Initiativen gebildet, welche gemeinsam mit den Marktteilnehmern sehr aktiv daran arbeiten, über die Immobilienbranche, ihre Aufgaben, Ziele und Werte zu informieren und die öffentliche Wahrnehmung zu verbessern. Hier haben wir aber noch einen langen und steinigen Weg vor uns. Es braucht trotz der bereits vorhandenen Aktivitäten und gerade mit Blick auf Berufseinsteiger und "Young Potentials" noch viel mehr Aufklärung und Lobbyarbeit. Wir sind noch weit davon entfernt, das Image der Immobilienbranche auf den Level zu heben, auf den es aus meiner Sicht gehört, nämlich als attraktiver Arbeitgeber und verantwortungsvoller Partner für die Gesellschaft wahrgenommen zu werden.
Inwieweit kann der Fachkräftemangel in der Immobilienwirtschaft durch Digitalisierung aufgefangen werden?
Die Immobilienwirtschaft hinkt beim Thema Digitalisierung anderen Branchen wie etwa der Chemie- oder Autoindustrie weiterhin klar hinterher. Digitale Technologien bieten im Immobilienbereich zurzeit im Weitesten Hilfestellung bei der Erfassung, Dokumentation und Auswertung von immobilienspezifischen Daten. Die Digitalisierung macht uns schneller und effizienter, ersetzt aber keinen einzigen Mitarbeiter. Das heißt im Umkehrschluss, dass sie den vorhandenen Fachkräftemangel aus meiner Sicht nicht auffangen kann und wird.